Neue Tariflösungen für die Euregio Maas-Rhein

An nationalen Grenzen stoßen stets auch ÖPNV-Systeme aneinander. Die ÖPNV-Systeme haben in der Vergangenheit vielfach eine nationale Prägung entwickelt, wodurch bestimmte „ÖPNV-kulturelle“ Unterschiede im Tarif- und Vertriebsbereich vorliegen - beispielsweise hinsichtlich

  • Preispolitik (Nutzerfinanzierter ÖPNV vs. low-fare policy),
  • Tarifpolitik (regionale Gemeinschaftstarife vs. Unternehmenstarife),
  • Tarifstrategie (Abo-Strategie vs. Streifenkarten/Wertkarten),
  • Vertrieb (Fahrer-Bordverkauf vs. stationärer Vorverkauf z. B. durch Kioske).

Allein diese Unterschiede der „ÖPNV-Kulturen“ bauen Barrieren für die freizügige Nutzung des vorhandenen grenzüberschreitenden Verkehrsangebots auf, die sich negativ auf die Attraktivität des grenzüberschreitenden Nahverkehrs auswirken:

  • Kunden kennen die Informationsquellen zum ÖPNV-Tarif jenseits der Grenze nicht bzw. haben sprachliche Probleme bei der Informationsbeschaffung zum ÖPNV im Nachbarland,
     
  • Das "Abfertigungssystem" (Prozess des Ticketerwerbs und der Ticketprüfung beim Zugang zum ÖV-System) weist vielfach erhebliche Unterschiede zum heimischen System auf,
     
  • Kunden haben keinen Zugang zum Vertriebssystem jenseits der Grenze (Lücken der Vertriebsinfrastruktur im Grenzbereich, Kunden besitzen die jeweilige Wertkarte für die unkomplizierte ÖPNV-Nutzung im Nachbarland nicht),
     
  • Die Addition der jeweiligen Binnentarife zu beiden Seiten der Grenze führt zu einem Fahrpreisniveau deutlich oberhalb der Binnentarife (Degression fällt weg, doppelte Zahlung des Grundpreises).

Auch im Grenzraum der Euregio Maas-Rhein am Dreiländereck von Deutschland, den Niederlanden und Belgien mit den Großstädten Aachen, Maastricht und Lüttich zeigt sich diese Problematik. Zwar haben die für den ÖPNV zuständigen Behörden und Verkehrsunternehmen bereits in einer über 10jährigen intensiven Zusammenarbeit viel erreicht: Sichtbares Zeichen dieser Zusammenarbeit ist das Euregio-Ticket, ein Tagesticket, das in nahezu allen Nahverkehrsmitteln der Euregio Maas-Rhein gilt. Dennoch sind für einen wirklich grenzüberschreitenden ÖPNV, der attraktive Tarifangebote beispielsweise für Grenzpendler vorhalten muss, weitere Anstrengungen zum Abbau von Tarif- und Vertriebsbarrieren erforderlich.

Im Rahmen des INTERREG-Projekts „M3 - Mobilität ohne Grenzen in der Euregio Maas-Rhein" hat sich die ÖV-Koordinierungskommission in der Euregio Maas-Rhein das Ziel gesetzt, neben der Schaffung neuer grenzüberschreitender Bus- und Bahnverbindungen, integrierter Kundeninformationssysteme und gemeinsamen Marketingaktionen auch die Tarif- und Vertriebsstrukturen für den grenzüberschreitenden Verkehr z.B. durch die Einführung eines euregionalen Verbundtarifs, aber auch durch die Bildung zusätzlicher Tarifkooperationen deutlich zu verbessern. Die Ingenieurgruppe IVV unterstützt in Zusammenarbeit mit der Firma stellwerk aus Heerlen die Bemühungen der Akteure zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Tarife durch eine tariffachliche Untersuchung und die konzeptionelle Entwicklung von Tariflösungen.

23. Mai 2011

 
 
Ansprechpartner bei IVV